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Das Buch erscheint in der Reihe Journalistische Praxis

Ohne Skrupel

Wenn sich Unternehmen selbst bewerten

Von Timo Niemeier

Ob bei Urlaubsreisen oder einem neuen Computer: Bevor viel Geld für eine Anschaffung oder die Buchung eines Hotels ausgegeben wird, vergleichen die meisten Menschen im Internet. Dabei achten sie nicht nur auf Preise, sondern auch auf Qualität und Service. Manche Unternehmen missbrauchen diese Möglichkeit, um anonym positiv über ihre Produkte zu berichten.

Anonyme Eigenbewertung - Verlockend, aber brandgefährlich

Fast 30 Prozent der im Internet abgegebenen Bewertungen werden von Firmen und Organisationen selbst gemacht. Das schätzt zumindest das Empfehlungsportal Benchpark.com, auf dem Unternehmen andere Agenturen und Verbände bewerten. Die Tendenz ist steigend, denn oft gibt es auf den Bewertungsportalen im Netz keine systematischen Kontrollen. Jeder kann seine Meinung posten – positiv wie negativ. Laut Benchpark.com würden sich besonders Kreativagenturen häufig selbst gut darstellen.

Internetnutzer entlarven Geschäftsführer

Mit einer solchen versteckten Selbstinszenierung ist die WeTab GmbH aufgeflogen. Der Tablet-Computer der Firma wurde im Vorfeld des Verkaufsstarts im September 2010 oft mit dem iPad von Apple verglichen. Er erhielt beim Online-Händler Amazon zum Start viele Bewertungen. Zwei der abgegeben Kommentare waren allerdings derart überschwänglich, dass einige Nutzer stutzig wurden. Sie forschten nach und fanden heraus, dass sich hinter den Amazon-Kunden Peter Glaser und Claudia Kaden der Geschäftsführer des Unternehmens,  Helmut Hoffer von Ankershoffen, und dessen Frau Sandra versteckten.

Der Journalist und Blogger Richard Gutjahr machte die Sache schließlich mit einem Eintrag in seinem Blog öffentlich. WeTab-Chef Helmut Hoffer von Ankershoffen gab daraufhin zu, die Bewertungen bei Amazon selbst geschrieben zu haben und trat zurück. Er erklärte zwar, es sei ein Fehler gewesen, die Einträge unter einem falschen Namen vorzunehmen. Inhaltlich stehe er aber voll hinter dem, was er geschrieben habe. Für das Unternehmen wurde die Aktion zu einem riesigen PR-Debakel.

Dunkelziffer vermutlich viel höher

Noch heute wird das Unternehmen immer wieder mit den gefälschten Amazon-Bewertungen in Verbindung gebracht. Warum dennoch viele Firmen versuchen, mit dieser Methode neue Kunden zu locken, weiß Dirk Maass, Geschäftsführer des Portals Benchpark.com: „Seit bekannt ist, dass positive Bewertungen die Trefferposition auf Google verbessern, erreicht dieses Problem neue Dimensionen“, erklärte der Experte in einer Pressemitteilung. Ob wirklich 30 Prozent der Bewertungen im Internet gefälscht sind, ist nicht zu sagen. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich noch viel höher.

Ehrlich währt am längsten

Die PR-Fachleute aus Unternehmen tun gut daran, auch im Internet ehrliche Pressearbeit zu betreiben, denn die vermeintliche Anonymität ist trügerisch: Überschwänglich positive Kommentare zu eigenen Produkten fliegen meist auf, denn jeder Nutzer hinterlässt auch in der digitalen Welt seine Spuren. Wird ein solcher Fall der Selbstbeweihräucherung bekannt, rückt dieser das ganze Unternehmen in ein schlechtes Licht – und zwar besonders bei den Personen, die man eigentlich erreichen wollte: den Endverbrauchern.

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