Logo Pressearbeit praktischLogo Springer VS
„Pressearbeit praktisch“ hier bestellen
Das Buch erscheint in der Reihe Journalistische Praxis

Empörung

Bei der Schülerzeitung erlebte sie eine journalistische Urerfahrung: „Wir schrieben über die Einführung der Kollegstufe und was das für ein organisatorisches Chaos war. Das durfte natürlich nicht in einer Zeitung stehen, die der Direktor genehmigte. Ich war sehr empört. Ich hatte ja nur die Wahrheit geschrieben.“ Ungerechtigkeiten mag sie nicht stehen lassen: „An der Universität hatte ich Kommilitoninnen, die sagten: Mei, des is halt aso. Aber es muss doch nicht so bleiben!“ Waren Sie eine zornige junge Frau? Hooffacker verneint: „Man muss nicht zornig sein, wenn man anderer Meinung ist oder etwas möchte. Das erreicht man mit anderen Methoden vielleicht besser.“

Eine Methode war, das Internet zu nutzen. Sie und Peter Lokk hatten es sehr früh als soziales Medium entdeckt: „Toll, jetzt melden sich die Leute selbst zu Wort!“ Aufbauend auf der alternativen Stadtzeitungsszene riefen die beiden 1987 das CL-Netz ins Leben. Umwelt-, Frauen- und Friedensgruppen fanden dort eine Kommunikationsplattform. Trotzdem unkte es aus den eigenen Reihen: „Du kannst ja weiter Computer spielen. Wir machen Politik!“ In der Rückschau sieht sich Gabriele Hooffacker bestätigt: „Die haben inzwischen dazugelernt.“ 1997 stieg sie beim CL-Netz aus. Die Mitstreiter des Projekts wollten nicht Schritt halten mit den immer neuen technischen Möglichkeiten.

Science Fiction

„Ich werde ganz fuchtig, wenn ich nicht mitgestalten kann. Ich will etwas gestalten!“, sagt sie. Als Kind schon hat sie Science-Fiction-Geschichten geschrieben. Entsprechend antwortet sie auf die Frage, in welcher Tradition sie sich sieht: Huxley und Orwell, Autoren von Zukunftsromanen. „In der Zukunft!“ sagt sie, „da wär ich gern mit dabei. Ich würde gern in die Zukunft reisen können!“ Das ist kein Wunder. Gabriele Hooffacker war schon oft ihrer Zeit voraus.

Zurück zu Seite 1

Portrait Gabriele Hooffacker

„Ich würde gern in die Zukunft reisen können“

Von Gregor Kern

Foto: Noah Cohen

Gabriele Hooffacker ist Pionierin des Online-Journalismus. Sie lehrt dieses Fach an der Stiftung Journalistenakademie GmbH & Co. KG in München, die sie gegründet hat und bis heute leitet. Als das Gespräch schon vorbei ist, sagt sie nachdenklich: „Interviews sind immer so spannend mit den Fragen, woher, wohin…“ Mit den Fragen nach dem Woher, Wohin beschäftigt sich das  Autorenportrait.

Als das Wort „Computer“ für die meisten noch nach Science Fiction klang, besaß die Journalistin Gabriele Hooffacker einen Osborne 1. Das war ein früher Vorläufer eines Laptops. „Er wog elf Kilo und war ein ziemlicher Koffer,“ erinnert sich Hooffacker. „Die meisten hielten ihn für eine tragbare Nähmaschine.“ 1984 wollte sie damit in München in die Staatsbibliothek gehen. „Sie können gern reinkommen, aber die Höllenmaschine bleibt draußen!“ Nach einigen bürokratischen Hürden war die heute 52-Jährige die erste Person, die mit einem mobilen Computer dort Einlass fand.

Die Erste

Gabriele Hooffacker war oft die Erste. Sie war die Erste in ihrer Familie, die eine Universität besucht hat. Mit dem CL-Netz hat sie die erste erfolgreiche soziale und politische Plattform im Internet mitbegründet. Früh erkannte sie die Chancen des World Wide Web. Damit wurde sie zu einer Vorreiterin des Online-Journalismus und der Online-PR. Beides lehrt sie in Unternehmen, Redaktionen, Journalistikstudiengängen und an der Journalistenakademie in München. Das Institut hat sie im Jahr 1999 gegründet und leitet es bis heute.

Ihre Fächerkombination an der Ludwig-Maximilians-Universität in München war exotisch: Germanistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften.

Ein Medienkind

„Ich habe als Kind gern Radio gehört und pausenlos Geschichten aufgeschrieben.“ Ermutigt von ihrer Mutter schickte die Siebenjährige ausgewählte Werke an den Kinderfunk. Bald darauf lag eine Einladung ins Funkhaus des Bayerischen Rundfunks im Briefkasten. Von da an durfte sie beim Kinderfunk regelmäßig mitmachen.

Der Weg in den Journalismus war damit noch nicht vorgezeichnet: „Ich kannte Journalisten vom Rundfunk her: Alle saßen hinter Schreibtischen. Das hatte wenig von dem, was ich mir so vorgestellt hatte.“ Trotzdem folgte sie dem Rat von Candida Frank, der Leiterin des Kinderfunks, und gründete eine Schülerzeitung. Gabriele Hooffacker schrieb ständig – mit der Zeit auch professionell. Doch auch Lehramt oder Wissenschaft blieben lange Zeit attraktiv. Als der Freistaat Bayern in den 80er-Jahren keine Gymnasiallehrer einstellen wollte, war die Entscheidung klar: „Besser eine vielbeschäftigte Journalistin als arbeitslos.“ Doch bis heute wandelt sie zwischen diesen beruflichen Polen: „Ich bin ja eine Grenzüberschreiterin. Ich bin immer da, wo man mich nicht erwartet.“

Weiter auf Seite 2

Impressum