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Das Buch erscheint in der Reihe Journalistische Praxis

Social Media in der PR

Segen oder Fluch?

Von Katharina Körber und Michael Stachera

Freunde treffen Freunde im Internet: Das war die ursprüngliche Idee von sozialen Netzwerken wie Facebook & Co. Dann kam der Boom und auch die Geschäftswelt entdeckte Social Media. Mittlerweile nutzen viele Unternehmen von Rang und Namen Netzwerke wie Facebook für raffinierte PR-Kampagnen. Sind Social Media also die neuen Wunder-Werkzeuge für den Unternehmenserfolg? Oder schaden sie mehr, als sie nutzen? Wir haben zwei Experten gefragt.

Nico Lumma, Director Social Media bei der Scholz & Friends Group GmbH in Hamburg

Gisela Goblirsch,PR-Agentin aus München

Nico Lumma

Social Media sind heute ein Muss. Denn die PR befindet sich gerade in einem Paradigmenwechsel. Dieser begann 2001/2002, indem immer mehr Blogtools auf den Markt kamen, die das Publizieren vereinfacht haben. Mittlerweile sind Blogs etabliert und Plattformen wie Facebook haben eine immense Reichweite.

War es vor zehn Jahren noch wichtig, dass es Journalisten gab, die als Multiplikator fungierten, so sind es jetzt normale Menschen, die Facebook, Twitter und Blogs nutzen. Sie sind in der Lage, für ihre Freunde Inhalte aufzubereiten und zu kommunizieren. Deswegen wird es für die PR-Leute immer wichtiger, auch mit diesen Menschen zu sprechen.

Über die persönliche Empfehlung wird ein Thema viel besser transportiert als beispielsweise über eine langweilig und umständlich formulierte Pressemeldung.

Gisela Goblirsch

Social Media sind eine hervorragende Möglichkeit, den Endkunden zu erreichen und Diskussionen anzustoßen. Aber es herrschen dort Regeln, die nicht mit normaler PR zu vergleichen sind. Diese führen dazu, dass sehr viele Menschen, die eine Facebook-Seite anlegen, sich wundern, wenn plötzlich eine Welle über sie schwappt, die sie nicht erwartet hätten.

Social Media sind ein Dialog-Medium. Sie sind nicht dafür gedacht, dass ich meine Marketing-Ideen dort ausbreite. Das wird von den Menschen, die einen Dialog wollen, sofort sanktioniert. Das macht es so schwierig. Ich muss diese Sanktionen dann auch aushalten können. Das können die Allermeisten nicht. Sie geben gerne etwas von sich, aber wenn sie kritisiert werden, reagieren sie mit Unverständnis und wollen die Kritik dann abwürgen. Und genau das geht nicht in den Sozialen Netzwerken.

Deshalb bin ich in punkto Social Media in der PR sehr vorsichtig, je nach Unternehmen oder Auftraggeber. Ich rate es nicht jedem.

Die Deutsche Bahn lernt dazu

Auch die Deutsche Bahn wollte vom Social-Media-Hype profitieren und bot zwischen Oktober und November 2010 das sogenannte „Chef-Ticket“ zum Kauf für nur 25 Euro an. Die Bahn hatte aber wohl nicht mit der Kontaktfreude der Nutzer gerechnet und konnte auf der extra eingerichteten Facebook-Seite nicht angemessen auf Fragen und Kritik reagieren. Vor allem aber war unter den Usern nicht das Angebot Gesprächsthema, sondern nicht funktionierende Klimaanlagen in Zügen und das Bauprojekt „Stuttgart 21“. Die Folge: Wütende User, keine Moderation der Kommentare und ein PR-Debakel

Das Twitter-Team der Deutschen Bahn

Screenshot Deutsche Bahn

Inzwischen hat die Bahn gelernt und so sieht das neueste Social-Media-Projekt der Berliner schon vielversprechender aus.  Mehrere Monate plante der Konzern den Twitter-Account @DB_Bahn, der seit Anfang Juni von acht Mitarbeitern betreut wird. Jeden Werktag zwischen 6 und 20 Uhr geben die Mitarbeiter direkt Rückmeldungen an die User, die mit Problemen aller Art auf das Team zukommen. Schon vor dem Start des Twitter-Kanals lobten viele Blogger das Projekt der Bahn.

Millionen sehen sich PR-Videos an

Eine weitere erfolgreiche PR-Kampagne, die maßgeblich durch das Social-Web getragen wurde, ist die des Parfüms „Old Spice“. Der amerikanische Konzern Procter & Gamble wollte dem Produkt neues Leben einhauchen, weil es bei vielen jungen Kunden ein schlechtes Image hatte. Der Konzern schaltete im Rahmen der Übertragung des Super-Bowls einen knapp 30-sekündigen Spot, welcher seinen Zweck nicht verfehlte. Das Parfüm wurde über Nacht zum Gesprächsthema, die Werbevideos bei YouTube mehrere Millionen Male angesehen.

Die Social-Media-Kampagne von Old Spice

Screenshot Old Spice

Später ging man mit personalisierten Video-Antworten auf User-Fragen sogar noch einen Schritt weiter. Den YouTube-Kanal von „Old Spice“ haben inzwischen fast 270.000 Menschen abonniert, die Facebook-Seite zählt bereits mehr als 1,5 Millionen „Gefällt mir“-Einträge und etwa 125.000 Internetnutzer folgen dem Twitter-Account des Parfüms.

Es zeigt sich: Unternehmen können mit Social-Media-Aktionen in kürzester Zeit viele Internetnutzer mobilisieren und sich dadurch ins Gespräch bringen. Das Projekt sollte aber gut durchdacht sein und nicht unüberlegt gestartet werden. Denn die Masse der User ist unberechenbar, will aber dennoch ernst genommen werden.

Weitere PR-Kampagnen im Bereich Social Media:

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Von Pril bis Otto

PR-Kampagnen im Social-Web und der unkalkulierbare Erfolg

Von Timo Niemeier

Unternehmen und PR-Strategen haben soziale Netzwerke wie Facebook für sich entdeckt. Bei Mitmachaktionen animieren sie die User dazu, eigene Designs zu entwickeln oder gleich ein ganz neues Produkt zu erstellen. Doch der Erfolg ist nicht garantiert: Die Internetnutzer sind unberechenbar und der Ablauf einer solchen Aktion nicht vorherzusehen. Kommt es dann anders als von den Fachleuten geplant, wird oft falsch reagiert.

Mit mehr als 18 Millionen registrierten Mitgliedern aus Deutschland ist Facebook zu einer attraktiven Plattform für werbende Unternehmen geworden. Von Puma über McDonald‘s, BMW bis zur großen Kinokette vor Ort: Alle sind mit einer eigenen Seite in dem Netzwerk vertreten. Die einen nutzen den Kanal einseitig und versorgen die Nutzer lediglich mit Informationen. Die anderen setzen auf Kommunikation. Sie diskutieren mit den Usern und fordern zum Mitmachen auf.

Pril befördert sich ins Abseits

Das wollte auch der Henkel-Konzern machen und startete eine Online-Kampagne für sein Spülmittel Pril. Die Internetnutzer sollten ein neues Design für eine Spülflasche entwerfen, die zwei beliebtesten Motive wollte der Konzern in den Handel schicken. Verbreitet wurde die Aktion auf der eigenen Facebook-Seite. Doch dann kam alles anders als gedacht. Skurrile Designs waren bei den Nutzern am beliebtesten, das Motiv einer braunen Flasche mit der Aufschrift „Schmeckt lecker nach Hähnchen“ fand sich zwischenzeitlich auf dem ersten Platz wieder.

Die Website des Pril-Wettbewerbs

Screenshot Pril

Mitten im Wettbewerb erklärte Pril, bei der Stimmabgabe sei geschummelt worden und löschte daraufhin viele Stimmen. So wurde das Ranking kräftig durcheinander gewürfelt – viele kuriose Designs fielen von den vorderen Plätzen. Die User waren empört, liefen Sturm gegen die Entscheidung und warfen Pril Betrug vor. Die Sieger waren schließlich zwei harmlose Motive. Sie wirkten, als habe der Konzern sie unbedingt gewinnen lassen wollen. Die Marke Pril war durch die Aktion zwar häufig Gesprächsthema, durch einige unglückliche Entscheidungen des Unternehmens und den Proteststurm der User aber eher negativ.

Otto reagiert souverän – und erntet Lob

Deutlich besser reagierte der Versandhändler Otto. Bei einem Modelwettbewerb stimmten die meisten User für den BWL-Studenten Sascha, der sich als blonde Frau mit dem Namen „Brigitte“ verkleidet hatte. Otto hielt sein Versprechen und machte ein Fotoshooting mit dem Sieger. Sascha alias Brigitte war danach für zwei Wochen das Gesicht der Otto-Facebook-Fanpage. Das Unternehmen bekam für seine konsequente Haltung viel Userlob.

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