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Das Buch erscheint in der Reihe Journalistische Praxis

Bei Brecht und Wasser

„Herr Lokk, wie sind Sie zum Journalismus gekommen?“ – „Wie jeder zweite Journalist: über die Schülerzeitung“, ist die Antwort. „Das war eine Zeit, in der ich vieles gelernt habe, auch mit Zensur umzugehen, mit Einflussnahme von oben –  und es gibt da immer wieder Möglichkeiten kreativer Art, seine Beiträge doch durchzukriegen.“ Der 53-Jährige lächelt bei diesen Erinnerungen still in sich hinein. Vielleicht hat er sich einiges bei Bertolt Brecht abgeschaut, den er aus dem Stand zitieren kann. Der Dichter kannte viele Schliche, sich fremden Ansprüchen zu entziehen. Er wusste auch um die formende Kraft des Wassers:

„Daß das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den harten Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt.“

Wasser ist der Gegenstand, der Peter Lokk gern wäre. Wasser kann man nicht verbiegen. Wasser findet immer seine Bahn.

Der Lehrer

Eigentlich wäre der Germanist Peter Lokk gern Lehrer am Gymnasium  geworden. Doch in Bayern bestand in den 80er-Jahren Einstellungsstopp. Unterrichtet hat er trotzdem und tut das bis heute: In zahllosen Seminaren und Workshops und an der Journalistenakademie lehrt er journalistische Praxis und das Handwerk für Öffentlichkeitsarbeiter. Oft tut er dies für Nicht-Regierungs-Organisationen, Vereine und Gruppierungen aus dem alternativen und sozialen Spektrum, aber auch für Unternehmen. Mit einem lapidaren Ja, beantwortet Lokk die Frage, ob es ihm wichtig ist, Menschen und Gruppierungen, die im alltäglichen Diskurs nicht zu Wort kommen, eine Stimme zu geben. Das zoon politikon des 21. Jahrhunderts muss ein medienkennender Mensch sein“, sagt Lokk. „Wer nicht in die Medien kommt, der findet nicht statt, den gibt es nicht.“

Beim Unterrichten treibt ihn die Neugierde auf die Menschen an. Er will seine Schülerinnen und Schüler in ihrer Individualität fördern und auf seinem Lebensweg weiterbringen. Hier wie im Jazz geht es darum, seine Individualität, seine eigene Stimme zu finden. Peter Lokk hilft ihnen dabei mit größter Freundlichkeit und Bescheidenheit.

Ist er stolz auf seine Leistung? „Ich freue mich eher“, sagt er, „wenn Menschen einen guten Job gefunden haben oder wenn ich einen Beitrag lese von einem Menschen, den ich kenne – der gut geschrieben ist, gut gemacht. Ich freue mich an den Menschen und den Dingen, die sie tun.“ Und auf die Frage, woher diese Bescheidenheit kommt, antwortet er mit einem fast Brechtschen Gleichnis: „Wer auf einen hohen Turm steigt, kann tief fallen!“

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Empörung

Bei der Schülerzeitung erlebte sie eine journalistische Urerfahrung: „Wir schrieben über die Einführung der Kollegstufe und was das für ein organisatorisches Chaos war. Das durfte natürlich nicht in einer Zeitung stehen, die der Direktor genehmigte. Ich war sehr empört. Ich hatte ja nur die Wahrheit geschrieben.“ Ungerechtigkeiten mag sie nicht stehen lassen: „An der Universität hatte ich Kommilitoninnen, die sagten: Mei, des is halt aso. Aber es muss doch nicht so bleiben!“ Waren Sie eine zornige junge Frau? Hooffacker verneint: „Man muss nicht zornig sein, wenn man anderer Meinung ist oder etwas möchte. Das erreicht man mit anderen Methoden vielleicht besser.“

Eine Methode war, das Internet zu nutzen. Sie und Peter Lokk hatten es sehr früh als soziales Medium entdeckt: „Toll, jetzt melden sich die Leute selbst zu Wort!“ Aufbauend auf der alternativen Stadtzeitungsszene riefen die beiden 1987 das CL-Netz ins Leben. Umwelt-, Frauen- und Friedensgruppen fanden dort eine Kommunikationsplattform. Trotzdem unkte es aus den eigenen Reihen: „Du kannst ja weiter Computer spielen. Wir machen Politik!“ In der Rückschau sieht sich Gabriele Hooffacker bestätigt: „Die haben inzwischen dazugelernt.“ 1997 stieg sie beim CL-Netz aus. Die Mitstreiter des Projekts wollten nicht Schritt halten mit den immer neuen technischen Möglichkeiten.

Science Fiction

„Ich werde ganz fuchtig, wenn ich nicht mitgestalten kann. Ich will etwas gestalten!“, sagt sie. Als Kind schon hat sie Science-Fiction-Geschichten geschrieben. Entsprechend antwortet sie auf die Frage, in welcher Tradition sie sich sieht: Huxley und Orwell, Autoren von Zukunftsromanen. „In der Zukunft!“ sagt sie, „da wär ich gern mit dabei. Ich würde gern in die Zukunft reisen können!“ Das ist kein Wunder. Gabriele Hooffacker war schon oft ihrer Zeit voraus.

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Portrait Gabriele Hooffacker

„Ich würde gern in die Zukunft reisen können“

Von Gregor Kern

Foto: Noah Cohen

Gabriele Hooffacker ist Pionierin des Online-Journalismus. Sie lehrt dieses Fach an der Stiftung Journalistenakademie GmbH & Co. KG in München, die sie gegründet hat und bis heute leitet. Als das Gespräch schon vorbei ist, sagt sie nachdenklich: „Interviews sind immer so spannend mit den Fragen, woher, wohin…“ Mit den Fragen nach dem Woher, Wohin beschäftigt sich das  Autorenportrait.

Als das Wort „Computer“ für die meisten noch nach Science Fiction klang, besaß die Journalistin Gabriele Hooffacker einen Osborne 1. Das war ein früher Vorläufer eines Laptops. „Er wog elf Kilo und war ein ziemlicher Koffer,“ erinnert sich Hooffacker. „Die meisten hielten ihn für eine tragbare Nähmaschine.“ 1984 wollte sie damit in München in die Staatsbibliothek gehen. „Sie können gern reinkommen, aber die Höllenmaschine bleibt draußen!“ Nach einigen bürokratischen Hürden war die heute 52-Jährige die erste Person, die mit einem mobilen Computer dort Einlass fand.

Die Erste

Gabriele Hooffacker war oft die Erste. Sie war die Erste in ihrer Familie, die eine Universität besucht hat. Mit dem CL-Netz hat sie die erste erfolgreiche soziale und politische Plattform im Internet mitbegründet. Früh erkannte sie die Chancen des World Wide Web. Damit wurde sie zu einer Vorreiterin des Online-Journalismus und der Online-PR. Beides lehrt sie in Unternehmen, Redaktionen, Journalistikstudiengängen und an der Journalistenakademie in München. Das Institut hat sie im Jahr 1999 gegründet und leitet es bis heute.

Ihre Fächerkombination an der Ludwig-Maximilians-Universität in München war exotisch: Germanistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften.

Ein Medienkind

„Ich habe als Kind gern Radio gehört und pausenlos Geschichten aufgeschrieben.“ Ermutigt von ihrer Mutter schickte die Siebenjährige ausgewählte Werke an den Kinderfunk. Bald darauf lag eine Einladung ins Funkhaus des Bayerischen Rundfunks im Briefkasten. Von da an durfte sie beim Kinderfunk regelmäßig mitmachen.

Der Weg in den Journalismus war damit noch nicht vorgezeichnet: „Ich kannte Journalisten vom Rundfunk her: Alle saßen hinter Schreibtischen. Das hatte wenig von dem, was ich mir so vorgestellt hatte.“ Trotzdem folgte sie dem Rat von Candida Frank, der Leiterin des Kinderfunks, und gründete eine Schülerzeitung. Gabriele Hooffacker schrieb ständig – mit der Zeit auch professionell. Doch auch Lehramt oder Wissenschaft blieben lange Zeit attraktiv. Als der Freistaat Bayern in den 80er-Jahren keine Gymnasiallehrer einstellen wollte, war die Entscheidung klar: „Besser eine vielbeschäftigte Journalistin als arbeitslos.“ Doch bis heute wandelt sie zwischen diesen beruflichen Polen: „Ich bin ja eine Grenzüberschreiterin. Ich bin immer da, wo man mich nicht erwartet.“

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Portrait Peter Lokk

„Ich freue mich an den Menschen“

Von Gregor Kern

Peter Lokk

Peter Lokk, Foto: Isabella Mondre

Peter Lokk lehrt Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit an der Stiftung Journalistenakademie Dr. Hooffacker in München. Gefragt, was für ein Gegenstand er am liebsten wäre, antwortet er „Wasser!“ und lächelt vergnügt. Hier spricht ein Mann, der sich auf charmante Art nicht in die Karten schauen lässt. Doch seine Antwort ist eine freundliche Einladung, sich selbst einen Reim darauf zu machen. Und bei näherer Beschäftigung mit Lokk kann es passieren, dass sich am Ende Jazz wunderbar auf Brecht reimt.

„Nürnberg in den 70er-Jahren: Das war eine Aufbruchsszene“, erklärt Peter Lokk. Herrmann Glaser, heute fast sagenumwoben, hatte als Kulturreferent angefangen, die kulturelle und soziale Landschaft der Stadt gehörig umzukrempeln. Der damals gerade mal 20-jährige Lokk, der heute journalistisches Schreiben an der Stiftung Journalistenakedemie Dr. Hooffacker in München unterrichtet, gründete die monatlich erscheinende Nürnberger Stadtzeitung. „Wir schrieben über Themen, die damals nicht in den Medien vorkamen“, erinnert er sich. „Wir berichteten über Bürgerinitiativen und kleine Vereine, Arbeitslose, Armut und Jugendprobleme“. Die Stadt richtete soziokulturelle Stadtteilzentren ein, wie die Desi, in der ehemaligen städtischen Desinfektionsanstalt. Und die Nürnberger Stadtzeitung begleitete diesen Entstehungsprozess und die Bürgerdiskussionen um dieses Haus von Anfang an. „Die 68er waren schon alt und wir waren die Nachfolgegeneration. Wir wollten wirklich konstruktiv etwas umbauen“, beschreibt Lokk die damalige Situation.

Der Jazzer

Peter Lokk liebt den Jazz. Auslöser war ein Stapel von Schallplatten, den ihm ein Freund 1973 auf den Tisch legte. In einem Umfeld, das eher auf „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ geeicht war, muss er als junger Mann mit seinen musikalischen Vorlieben exotisch gewirkt haben. Als seine Favoriten nennt er Fats Waller, Dizzy Gillespie und „die wunderbare Anita O’Day“. Musiker, die in ihrem Leben so exzentrisch waren, wie ihre Musik lebensbejahend und menschenfreundlich klingt. Auch heute noch trällert er gerne Songs wie „Honeysuckle Rose“ vor sich hin. – Peter Lokk ist seiner Liebe treu geblieben.

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